Werden Personal-Risiken noch auf die leichte Schulter genommen?
Erster Personal-Risiko-Index von Universität München, Haufe Personalmagazin und Sage HR zeigt erhöhtes Engpass- und Motivationsrisiko.
Mitarbeiterengpässe und mangelnde Motivation der Angestellten zählen zu den größten HR-Gefahren in Unternehmen, so das zentrale Ergebnis des ersten Personal-Risiko-Index (PRI). Die PRI-Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Personalwirtschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), des Haufe Personalmagazins und des Software-Anbieters Sage HR Solutions. Die Initiatoren der Studie beleuchten damit erstmals das bisher wenig betrachtete Gebiet der Personal-Risiken. Die hohe Teilnehmerzahl von 1.484 Teilnehmern – überwiegend aus Personalabteilungen und Geschäftsführung mittelständischer und Großunternehmen – zeigt das vorhandene Interesse, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Die Befragung fand erstmals im Februar/März 2012 statt und soll zukünftig zweimal jährlich erfolgen.
Mit dem PRI erhalten Personaler ein Informations- und Steuerungsinstrument für ihre Arbeit, denn der Index ergibt in der Auswertung einen Messwert, den HR-Mitarbeiter und Unternehmer als externen Benchmark und Frühwarnsystem nutzen können. Die Befragten bewerten fünf Personal-Risiken nach ihrer aktuellen Bedeutung auf einer Skala von 0 (kein wahrgenommenes Risiko) bis 10 (sehr hoch wahrgenommenes Risiko). Der durchschnittliche Indexwert über alle Risiken hinweg liegt aktuell bei 4,09 (bei 1.166 vollständigen Antworten).
Engpässe sind das HR-Risiko Nr. 1
Überdurchschnittlich werden das Engpassrisiko mit einem Punktwert von 5,68 sowie das Motivationsrisiko mit 5,03 bewertet. Letzteres bezeichnet die Befürchtung, dass Mitarbeiter Leistung zurückhalten oder sich zu sehr verausgaben. Mit Engpassrisiko ist gemeint, dass offene Stellen nicht adäquat besetzt werden können. Die anderen drei Risiken Austritt (3,91), Anpassung (3,80) und Loyalität (2,05) erachten die Umfrageteilnehmer als geringer für die Personalarbeit ausgeprägt. Dabei bezeichnet das Austrittsrisiko die Gefahr, dass hochqualifizierte Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Das Anpassungsrisiko drückt aus, dass die Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter an technologische und sonstige externe Entwicklungen gefährdet sein kann. Hinter dem Loyalitätsrisiko steht der Gedanke, dass Mitarbeiter dem Unternehmen auch bewusst Schaden zufügen könnten.
„Die mittelmäßige Risikoeinschätzung hat uns hinsichtlich der aktuellen Themen wie Fachkräftemangel, Wettbewerb um die besten Talente und demografischer Wandel überrascht. Scheinbar nimmt ein Großteil der Geschäftsführer und Personaler potentielle HR-Risiken noch auf die leichte Schulter“, warnt Matthias Schneider, Vorstand der Sage HR Solutions AG. „Genauere Aussagen werden sich allerdings erst nach einigen Wiederholungen der Befragung tätigen lassen, wenn sich Trends im Zeitverlauf herauskristallisieren“, ergänzt Prof. Dr. Ingo Weller, Leiter des Instituts für Personalwirtschaft der LMU.
Bei der Betrachtung der Ergebnisse nach Unternehmensgröße und Umsatz steigt die Risikoeinschätzung tendenziell bei allen Herausforderungen mit der Größe an. „Das kann als weiterer Hinweis darauf verstanden werden, dass die vorhandenen Risiken in Großunternehmen sensibler beobachtet werden als im Mittelstand“, so Randolf Jessl, Chefredakteur des Personalmagazins und ergänzt: „Das ist bedenklich, denn der Mittelstand hat angesichts seiner geringeren Bekanntheit als Arbeitgeber und seiner lokalen Verwurzelung im War for Talent große Herausforderungen zu schultern.“
HR-Experten sehen höhere Risiken als Geschäftsführer
Bei der Betrachtung der Personal-Risiken nach der Funktion der Befragten zeigt sich über fast alle Risiken hinweg, dass Mitarbeiter und Leiter der HR-Abteilungen Gefahren höher einschätzen als Geschäftsführer. „Die Effekte sind teilweise allerdings durch die Unternehmensgröße überlagert. Kleinere Unternehmen, mit tendenziell geringerer Risikowahrnehmung, verfügen oftmals nicht über die professionellen Personalstrukturen der Großen. Entsprechend sind die Argumente miteinander verwoben“, deutet Prof. Weller die Aussagen genauer. Bei einem Blick auf die Branchen verdeutlicht der Index, dass die Befragten aus der Automobilindustrie, der ITK-Branche, dem Gesundheitswesen sowie dem Kredit- und Finanzwesen Personal-Risiken überdurchschnittlich hoch einschätzen.
Personalgewinnung via Social Media rückt auf die Agenda
Um zu ermitteln, welche Personalpraktiken zur Prävention und Kontrolle der Risiken eingesetzt werden, fragt der PRI zusätzlich ab, welche Personalinstrumente in den Unternehmen im Einsatz sind. So zeigt die Befragung beim Blick auf den Einsatz der HR-Werkzeuge zur Personalgewinnung, dass 49 Prozent der antwortenden Unternehmen auf traditionelle Rekrutierungskanäle wie Stellenanzeigen in Print-Medien sowie Personalvermittler setzen. E-Recruiting nutzen 39 Prozent, gefolgt von Referenzen und Empfehlungen mit 34 Prozent. Gut jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) hat bereits soziale Netzwerke als Kanal zur Mitarbeitergewinnung entdeckt. Was die Intensität betrifft, geben jedoch 44 Prozent der Social Media-nutzenden Unternehmen an, das Instrument nur in geringem Ausmaß einzusetzen. „In Anbetracht des überdurchschnittlich bewerteten Engpassrisikos muss dieser geringe Nutzungsgrad innovativer Rekrutierungsinstrumente erstaunen“, so Personalmagazin-Chefredakteur Jessl.
Bei den Auswahlverfahren dominieren auch eher herkömmliche, biographieorientierte Verfahren mit 42 Prozent deutlich vor simulationsorientierten (29 Prozent) und eigenschaftsorientierten (23 Prozent). Das klassische Vorstellungsgespräch und der eingereichte Lebenslauf haben demnach weiterhin mehr Relevanz als Assessment-Center, Rollenspiele oder Leistungstests.
Mitarbeitermotivation: 70 Prozent haben kein Stimmungsbild ihres Unternehmens
Die derzeit wichtigste Personalpraktik zur Mitarbeitermotivation ist das Mitarbeitergespräch (41 Prozent), gefolgt von individuellen/teamorientierten Vergütungssystemen (36 Prozent) und Zielvereinbarungen (33 Prozent). Zu den seltener genutzten Personalpraktiken zählen Mitarbeiterbefragungen. Lediglich 30 Prozent der teilnehmenden Unternehmen nutzen dieses Instrument. Was die Häufigkeit betrifft, befragen 22 Prozent dieser Firmen einmal im Jahr ihre Belegschaft. Die Mehrheit (72 Prozent) analysiert das Betriebsklima seltener als einmal jährlich und lediglich sechs Prozent befragen die Mitarbeiter in kürzeren Intervallen. „Wenn ich nur ein rudimentäres Stimmungsbild meines Unternehmens habe, kann ich Risiken schwer erkennen, sie kontrollieren und ihnen entgegenwirken“, gibt Sage HR-Vorstand Schneider zu bedenken und ergänzt: „Die strategischen Aufgaben von Personalentscheidern wachsen zunehmend. Um die Themen Mitarbeitergewinnung und -motivation zu managen, kann der Einsatz software-gestützter HR-Instrumente entlasten.“
Der vollständige Ergebnisbericht findet sich zum kostenlosen Download unter www.pri.de. Für die Studienteilnehmer besteht zudem die Möglichkeit, an einer kostenfreien Benchmark-Analyse teilzunehmen. Sie müssen sich hierfür über ein Unternehmensprofil identifizieren und können so ihre individuellen Ergebnisse zu relevanten Vergleichsgruppen in Beziehung setzen.