„Diagnose“ ist das A und O bei der ERP-Auswahl.
Liebe Leserin, lieber Leser, im vorigen Blog habe ich angekündigt, dass ich den nächsten Blogbeitrag dem Thema Narkose (der Anbieterauswahl) widmen wollte. Aus aktuellem Anlass möchte ich jedoch einen anderen Schwerpunkt vorziehen, welcher darlegt, warum die „Narkose“ so wichtig ist. Die Prozedur der Anbieterauswahl bekommen Sie von mir auf jeden Fall noch nachgereicht.
In meiner täglichen Praxis werde ich mit verschiedenen Problemen vor, während oder nach einem ERP Auswahlverfahren konfrontiert. Für einige Kunden kommt allerdings manchmal jede Hilfe zu spät – viel Geld wurde falsch investiert und das lässt sich im schlimmsten Fall nicht mehr rückgängig machen. Aber nicht „nur“ Geld wurde verbrannt, sondern auch wertvolle Zeit und die positive Einstellung des Personals zu neuer Software.
Der Bedarf ist trotz schlechter Erfahrungen immer noch vorhanden, so dass dem Unternehmer nichts anderes übrig bleibt, als die Auswahlprozedur, die Implementierung, die Schulung des nun frustrierten Personals und die Kosten, die zum zweiten Mal entstehen, in Kauf nehmen zu müssen.
Schlechte Vorbereitung – Falsche Kaufentscheidung
Vor einigen Monaten kam ein Bekannter zu mir und teilte mir mit, dass ein guter Geschäftsfreund, ein Unternehmer – nennen wie ihn Herr Pechvogel – sich ein falsches ERP habe verkaufen lassen. Ob ich da vielleicht noch etwas machen könne. Ich habe daraufhin Herrn Pechvogel angerufen und mich zu einem Gespräch verabredet. Bei einem bereits erfolgten Kauf der Software ist in der Regel nur auf dem Gebiet der Schadensbegrenzung noch einige Unterstützung möglich. Ich habe Herrn Pechvogel erklärt, dass wenn z.B. vom Hersteller Produkteigenschaften zugesichert wurden, die beim ERP de facto fehlen, hier ein Anspruch auf Nachbesserung beziehungsweise Schadensersatz liegen könnte. Das größte Problem dabei: es hilft Herrn Pechvogel wenig bei der Umsetzung des eigentlichen Kaufgrundes für eine ERP Software! Er braucht ein funktionierendes ERP-System, das in seinem Unternehmen durch effizientere Abbildung der Geschäftsprozesse und Workflows Zeit und Geld spart. Seine Aufgabe als Unternehmer ist es ja schlussendlich Gewinn zu machen. Zusätzlich erschwerend kam hinzu, dass Herrn Pechvogels Kunden bei der Auswahl eines ERP Systems eine nicht unerhebliche Rolle spielen, da er als zertifizierter Zulieferer ISO-Auflagen erfüllen musste.
Diagnose – das Bedarfs-Pflichtenheft ein „Muss“
Wenn sich also die bedauerliche Situation ergibt, dass ein ERP angeschafft wurde, das nicht den Anforderungen entspricht, ist das Kind in den Brunnen gefallen. Nachbesserungen können Abhilfe schaffen, aber ein ideales ERP wird man sehr wahrscheinlich nicht erhalten – Flickwerk ist und bleibt eine suboptimale Lösung. Herr Pechvogel wird sich wohl oder übel ein zweites Mal ein (hoffentlich geeigneteres) ERP anschaffen müssen.
Manchmal muss es eben ein Berater sein
Um beim zweiten Mal auf Nummer sicher zu gehen, empfahl ich einen unabhängigen ERP-Berater hinzuzuziehen. Die sorgfältige Erstellung eines Pflichtenheftes, „die Diagnose“ des Bedarfs im Unternehmen ist sowieso immer zu empfehlen, aber in diesem Fall war sie ein absolutes „Muss“. Man kann die Bestimmung der Eigenschaften, die das ERP aufweisen soll, nicht vom Verkaufsdruck des ERP – Verkäufers abhängig machen lassen und seine unternehmerische Verantwortung abgeben.
Eigentlich muss der Patient (das Unternehmen) selbst wissen, was ihm fehlt. Das ist nicht immer leicht, da historisch gewachsene Prozesse manchmal betriebsblind machen, das KnowHow zu den verfügbaren ERP Funktionalitäten fehlt oder schlichtweg innerhalb des Unternehmens Interessenskonflikte zwischen den Abteilungen bestehen. Je sorgfältiger der tatsächliche Bedarf bezüglich eines ERP Systems vor der Implementierung erfasst wurde, einschließlich der Festlegung von Prioritäten, desto einfacher fällt nachher die Auswahl und desto schneller kann man aus der teuren „Anwenderwünscheliste“ eine unternehmerisch sinnvolle Funktionsbedarfsliste ( Pflichtenheft) erstellen.
Herr Pechvogel hat inzwischen einen Berater hinzugezogen und ein anderes ERP gewählt, das auch von seinen Kunden wohlwollend akzeptiert wurde.
Vorbeugen is besser als heilen.
Schönen Gruß
Ihre Antje Petzold
Der obige Text spiegelt die Meinung des Kolumnisten, Frau Antje Petzold, wider. Der Herausgeber des Blogs www.erp-software-auswahl.de, die Deutrans b.v., übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.