Wohl überlegter ERP-Wechsel: Die Funktionalität allein macht´s nicht
Gerade einmal zehn Jahre, länger währt die durchschnittliche Lebensdauer eines ERP-Systems nicht. Dann ist in den meisten Fällen eine Rundum-Erneuerung oder gar ein ERP-Wechsel fällig. Das Ziel lautet, dass das System den sich rasant ändernden Anforderungen weiterhin genügen soll. Wer dabei nur auf die Funktionalität einer neuen Lösung achtet, verliert jedoch den Blick für das Wesentliche und fällt bei der ERP-Wahl leicht auf die Nase. Das ERP-System ist die Kernanwendung einer Organisation und tief verankert in alle Geschäftsprozesse. Läuft es einigermaßen rund, fällt der Schritt einer Ablösung naturgemäß schwer. Die Gründe für einen ERP-Wechsel sind vielfältig.
Das ERP-System darf Digitalisierung nicht verhindern. Es muss aktuelle technologische Umbrüche wie Internet of Things (intelligente Produkte) oder endgerätunabhängigen Zugriff (Smartphone, Tablet, Desktop) genauso wie Maschinenanbindung unterstützen. Das heißt, das ERP-System ist die zentrale Informationsdrehscheibe für alle Prozesse. Zeitgleich heißt es Abschied nehmen vom Ein-Land-ERP, weil die Unternehmen ihre Lieferketten zunehmend global aufstellen. Integrative Prozesse über Unternehmensgrenzen hinweg sind gefragt. Beispiele dafür sind Lieferantenintegration, Fremdfertigung oder Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams über Abteilungsgrenzen hinweg.
Das ERP als Begleiter des technischen Umbruchs
Kurz gesagt: Ein modernes ERP muss den technischen Umbruch begleiten bzw. ihn sogar ermöglichen. Mit neuen Funktionen allein ist es da nicht getan. Die Funktionalität eines Produktes kann deshalb nur ein kleiner Teil einer solchen Entscheidung sein und sollte in der Regel nicht mehr als 20 Prozent ausmachen. Funktional basierte Entscheidungen beim ERP-Wechsel sind vielmehr sogar ein hohes Risiko, denn durch rein funktionale Anforderungskataloge entsteht schnell eine Scheinsicherheit auf Basis nicht vollständiger Fakten. Was ist wichtiger als Funktion? Die Antwort ist einfach – es sind die tägliche Herausforderungen Ihres Geschäftes. Für Sie heißt das einen ERP-Partner zu finden der Branchen-Know-how, ausreichende Produktkenntnis, Projektmethodik und Service auch nach dem Projekt sicherstellt.
Ziele festlegen
Aus unserer Erfahrung in solchen Auswahlprozessen wissen wir, welche Themen wirklich ausschlaggebend bei der ERP-Wahl sind. So gilt es zunächst, gemeinsam mit dem Projektpartner die Zielsetzung zu erarbeiten. Dazu helfen Antworten auf Fragen wie:
- Wo steht man derzeit und was sind die tatsächlichen Gründe für die ERP-Auswahl?
- Wie klar sind die Prozesse im Unternehmen bereits strukturiert?
- Welche Veränderungen will man mit dem Projekt herbeiführen?
- Welcher Zeithorizont wird angestrebt?
- Gibt es Messkriterien für die Ziele und deren Priorisierung anhand ihrer Auswirkung auf Risiken oder Kosten?
Herrscht hierüber Klarheit, ist schon eine wichtige Weiche gestellt auf dem Weg zum neuen ERP-System. Zahlreiche Benchmarks aus eigenen Projekten und die Information aus Ihrem Unternehmen verhelfen Partnern wie uns zu einer möglichst objektiven Perspektive. Sind Beweggründe nicht ausreichend treffen wir als FWI an diesem Punkt auch die Entscheidung von einer ERP-Umstellung abzuraten.
Drei Ebenen der Entscheidungsfindung beim ERP-Wechsel
Für die Entscheidungsfindung sind drei Ebenen im Unternehmen von Beginn an einzubeziehen:
- Die Geschäftsführung/Eigentümer haben als oberste Führungsebene eine Sicht auf das Unternehmen als Ganzes sowie sein Umfeld, also Markt, Mitbewerber und Trends.
- Die Fachabteilungen setzen die Vorgaben der Geschäftsleitung in ihren Bereichen um und sorgen für den wichtigen Rückfluss entscheidungsrelevanter Informationen sowie konkreter Lösungsvorschläge an die Geschäftsleitung.
- Key User schließlich benötigen Klarheit bezüglich der Abläufe und Aufgaben. Gleichzeitig stellen sie zielgerichtete Integrationspunkte ins ERP als „Nervensystem“ des Unternehmens dar. Hier ist Benutzerfreundlichkeit der Hebel, um Daten rasch ins System zu bekommen.
Steht ein Unternehmen in einem Entscheidungsprozess (zum Thema ERP), trifft man immer wieder auf die durch Keith M. Eades bekannte Struktur der Kundenbedürfnisse. Demnach verändern sich über die Zeit die Informationen, die für die Entscheidung vordergründig sind. Sind zu Beginn die Ziele (Bedürfnisse) relevant, bezogen auf die zu erwartende Investition, tritt anschließend die tatsächliche Lösung in den Vordergrund, also Produkt und Partner. Kurz vor der Entscheidung für eine langfristige Bindung an ein Produkt/einen Partner geht es dann vornehmlich um Risiko- und Preisbewertungen.
Fazit: Strukturierter Auswahlprozess ist wichtig!
Entscheidungen beim ERP-Wechsel werden leider oft immer noch aufgrund von Funktionen und Features getroffen. Damit jedoch setzen sich Unternehmen einem unnötigen Risiko aus. Essentiell im Entscheidungsprozess ist vielmehr die intensive, direkte Kommunikation zwischen Anbieter und dem eigenen Unternehmen auf allen Entscheidungsebenen. Sicher kostet dies einen Geschäftsführer zunächst einmal Zeit. Doch mindert es gewaltig die Risiken, die sich aus einer übereilten, weil unstrukturierten – oder sogar delegierten – Entscheidung ergeben können. Denn die Haftung dafür übernimmt nun einmal letzten Endes stets der Eigentümer bzw. die Geschäftsführung.